Samstag, 23. Juli 2011

Ein Traum von England


September.
Diese Reise wurde überhaupt nicht geplant, es wurden nur die Fährtickets gebucht und wie es sich später herausstellte, sollte es die erlebnisreichste und wunderschönste Zeit in England werden!

Die Fahrt nach Calais war frühmorgens und wie immer hielten wir in "Sevenum", kurz hinter der deutschen Grenze, und frühstückten ausgiebig.
Spätestens hier stellt sich die Urlaubsstimmung mit enormer Vorfreude ein.
Den nächsten Cappuccino gibt es immer kurz vor Calais, der schmeckt dann schon richtig nach Urlaub!
Calais!
Mit ratternden Reifengeräuschen fuhren wir über die Brücke direkt in den Bauch unserer P&O-Fähre.
Alles ist gut organisiert und wird täglich viele Male durchgeführt, come and go stündlich.
Die ersten Reisenden saßen schon vor ihrem kühlen Bier und den mitgebrachten Sandwiches.

Sehr viele Engländer machen Tagesreisen nach Frankreich und nutzen günstige Einkäufe auf dem Schiff.

Belgien haben wir nun längst hinter uns, aber der Küstenstreifen ist noch wie ein kleiner Strich erkennbar.

Wir gleiten auf leicht bewegter See dahin und da, da sind sie!!!

Die "White Cliffs of Dover"!

Die weißen Kreidefelsen lachen uns freundlich im Sonnenlicht zu, kein Regen, keine Wolken, pure Sonne.
Und diese leuchtende Verheißung sollte uns 3 Wochen begleiten.

Wie man uns sagt, ist September eine gute Reisezeit für England, was sich auch rundherum bestätigte.

Whitstable sollte das erste Ziel sein.
Canterbury heben wir uns immer für den letzten Tag auf.

Wir rollten gespannt, natürlich links, in Richtung Canterbury, denn Whitstable ist ein kleiner, verträumter Badeort in der Grafschaft Kent, zur Stadt Canterbury gehörend.
Im Sommer ist der Urlaubsort sicher überlaufen, aber jetzt tummeln sich dort nur viele Einheimische.

Aber zuerst musste eine Unterkunft für eine Nacht gefunden werden.

Kaum zu übersehen war das Hinweisschild "Cherries B&B", das uns einladend in Pfeilrichtung zog.
Und wie "cosy" das war!
(www.thecherries.net)
Eine lustige und unkomplizierte Engländerin zeigte uns das schönste Zimmer, das Zimmer, das ich mir für meine erste Englandnacht gewünscht habe: nostalgisches, weißes Eisenbett, Kirschbettwäsche mit vielen Rüschen, tausend Kuschelkissen, Vorhänge mit kleinen Kirschen im typischen, englischen Countrystyle.

Im Kaminzimmer standen schon "Tea and Biscuits", serviert vor dem Kamin auf einem Couchtisch aus englischem Stoff.

Nach diesem lauten und witzigen Empfang eroberten wir Whitstable.

Dieser winzige Fischerort ist bekannt durch seinen Fischereihafen und dem Austernhandel.

Kleine, malerische Häuser, Pubs und Restaurants reihen sich aneinander und zeichnen diesen lieblichen Ort aus, die Luft riecht nach Meer und Sonne.
Feurig wurde es in einem indischen Restaurant.
Wie ihr wisst, mag ich richtig scharfes Essen, aber dieser Abend hat alles getoppt. So ähnlich muss sich ein Feuerspucker fühlen!
Nie mehr bestelle ich in einem indischen Restaurant in England "hot and spicy", in Deutschland bekommt man "scharf" ansatzweise würzig scharf, aber hier...
Da half kein Wasser, kein Brot, sondern nur die Zeit.
Dieser Abend war so ein schöner Start und das Glas " white housewine" im Pub mit Livemusik nach dem indischen Feueressen ließ mich wirklich richtig gut in der Kirschbettwäsche schlafen.
Geweckt wurde ich am nächsten Morgen von Duftvariationen aus gebratenen Eiern und verbranntem Toast,vermischt mit dem Geruch nach Hund, der sicher vorher hier - hoffentlich nicht  im Bett, sondern neben dem Bett -  geschlafen hat.

Auf jeden Fall war dieses Frühstück so gut und reichhaltig,   Kalorienzählen würde den Taschenrechner zum Qualmen bringen:
Gebratene Pilze und Tomaten, vegetarische Würstchen, Baked Beans, Toast, aber mit viel Fett in der Pfanne geröstet, Orangenmarmelade, Porridge und, und und............und natürlich ganz viel English Breakfast Tea!

Nach einem herzlichen Abschied fuhren wir nun in Richtung Salisbury. Nicht zu vergessen, immer schön links!
Sanfte Hügel, dunkelgrüne Schafweiden, viele Hecken und das Gefühl von allem abgeschieden zu sein, das Inselgefühl, stellte sich schnell ein.
Hier waren nur die Engländer und wir!
Eine dringende Pause war unbedingt nötig, ich sage nur:
"English Breakfast Tea".
Wir hielten an einem Rastplatz, der in England sehr gut ausgestattet ist, vor allem mit einem Supermarkt und überall gibt es English Tea!!

Die lange Autoschlange zeigte uns, dass wir uns kurz vor Stonehenge befanden, das auch schon in der Ferne zu erahnen war.
Meine Erwartungen machten mich unruhig, denn mystische Plätze sind wirklich ein Mittelpunkt in meinem Leben. Ich durchlebe dann in meiner Fantasie die Geschichte und stelle mir vor, wie es gewesen wäre, zu diesen Zeiten gelebt zu haben.
Ich sehe viele Kriege, viel Blut und Tragik, und im Gegensatz dazu die Gemeinschaft und ein starkes Miteinander beim Kampf ums Überleben. Ich fühle aber auch das Leben, das in vollen Zügen genossen wurde, ich spüre die Lust unserer Urahnen, Feste zu feiern und zu tanzen.

Leider sind natürlich diese historischen Fleckchen sehr begehrt und werden durch "Fressbuden" und Shops zur Realität der heutigen Überflussgesellschaft.
Hingegen der Ort der Steingiganten ist still, verzaubernd und die Besucher verhalten sich ehrfurchtsvoll.
Manche meditieren, einige Leute liegen schlafend und träumend im Gras.

Stonehenge wurde in der Jungsteinzeit errichtet.
Eine Megalithstruktur umgibt eine Grabanlage, und wiederum konzentrische Steinkreise wurden rundherum angelegt.
Unfassbar, wenn man sich vorstellt, dass die technischen Mittel fehlten, die Steinbrocken zu errichten, damals geschehen nur durch Menschenhand und -kraft.
Für mich wird wieder deutlich klar, dass man etwas erreichen kann, wenn man es nur von Herzen möchte.
Das setzt enorme Kräfte frei.
Zielgerichtetes Durchhaltevermögen wurde in diesen Zeiten gebraucht.

An diesem mystischen Platz kann man das Spiel der Sonne zwischen den majestätischen Steingebilden, der durchdachten Struktur, das Sonnenlicht an sich zu binden, mit allen Sinnen erleben

In Salisbury übernachteten wir im "Scotland B&B", etwas unheimlich, wirklich, aber mit freundlichen Inhabern. Trotzdem war ich froh, als wir abreisen konnten (http://www.scotlandlodge.co.uk/). Vielleicht hatte es etwas mit dem Namen "Schottland", dem Land der Sagen und Geister zu tun, denn ich hatte vehemente Träume, unheimliche Szenen spielten sich da ab.
Am Vorabend sind wir noch in die Stadt Salisbury gefahren, welche am Zusammenfluss von Avon und Wiley liegt, und auch wegen der berühmten Kathedrale mit dem Beinamen "Marienkathedrale"  wirklich sehenswert ist.
Ein Spaziergang durch die Stadt mit den schönen Fachwerkhäusern war ein kleines Erlebnis.

In einem gemütlichem Pub am Flussufer haben wir den erlebnisreichen Tag mit einem Cider und Sandwiches beendet. Am nächsten Morgen sollte es in Richtung Dartmoor (http://www.dartmoor.co.uk/ ) weitergehen.

Dartmoor in Devon, das erinnert mich vor allem an die kleinen Straßen, in denen man sich durch die hohen Hecken gefangen fühlt, aber trotzdem keine Panik bekommt. Man muss nur höllisch aufpassen, wenn ein Auto entgegenkommt. Der Fahrersitz ist ja auch auf der anderen Seite, deshalb erschwert es auch die Sicht.

Die reetgedeckten, weißen Steinhäuser mit den bunten, blumenreichen Gärten und der bizarren Moorlandschaft mit den kleinen Wildpferden, erinnert an eine Postkartenromantik.

Geschlafen haben wir im "Gages Mill" B&B (http://www.gagesmill.co.uk/).

Zwei unvergessliche Dartmoortage mit vielen Wanderungen, Cream Teas, English Breakfasts, schönen Dörfern und viel Ruhe lagen hinter uns und wir machten uns auf nach Cornwall.

Hier haben wir für eine Woche ein Cottage gemietet, damit wir mal eine Woche an einem Ort bleiben konnten (http://www.seawitchcottage.com).

Das Cottage war ein toller Ausgangspunkt für viele Unternehmungen und Besichtigungen.

Vorher haben wir aber noch Plymouth angesehen, was sich für mich als Flop herausgestellt hat.
Die Stadt ist laut und groß, ich hatte sie mir anders vorgestellt.

Hingegen Polperro (The Kitchen, Hauptstraße, typisch Englisch!), Looe (Café Fleur - East Looe), Mousehole (http://www.jessiesdairy.co.uk/), St. Ives und Penzance waren wirklich alle landestypisch und sehenswert.
Ich dachte immer, dass diese Idylle nur im Film Wirklichkeit würde, aber in der Realität war alles noch viel berauschender.
Von Mousehole kann man über herrliche Küstenwege kilometerweit laufen, und fühlt sich als Statist in Pilcher Filmen!
In diesem kleinen Ort leben viele Maler, die hier wirklich ein Leben lang Motive finden werden.
Wir sind auch stundenlang über Felsen sowie Stock und Stein gewandert, und konnten im Anschluss daran bei starker Hitze lange am Strand sitzen.
Am Lizard Point und Land`s End haben wir viele wilde Ponyherden auf langen Küstenwanderungen getroffen. Ein Pony ist hinter uns hergetrottet, wir haben es aber zur Herde zurückgeführt.

Die "Coastal Pathways" sind gut markiert, teilweise sehr steil und eng an Klippen entlang, aber das vermittelt die tiefe Verbundenheit mit der Natur, die alle Engländer so schätzen.
Von unserem Parkplatz aus erreichten wir über schmale Wege eine Bucht mit bizzaren Klippen, die aus dem Wasser herausragten, umspült von tosenden Wellen  in der Sonne, umrahmt vom Grün der Weiden auf den Klippen.
Inmitten dieser atemberaubenden Natur lag ganz versteckt ein kleiner Pub, in dem man den echten "Cornish Cream Tea" bestellen kann: 2 Scones, Clotted Cream, Erdbeermarmelade und 1 große Kanne English Tea, oh, das macht echt süchtig und setzt nach einer 5-stündigen Wanderung garantiert nicht an.
Man konnte draußen sitzen und das Naturschauspiel beobachten.

Die Faszination der Natur, das gemütliche Beieinander, die verbindlichen und redseligen Engländer, die prachtvollen Gärten und die Abgeschiedenheit zeichnet die Insel aus.
England ist von einer Eigenart geprägt, die jeder für sich selber erleben muss.

Vollkommen zufrieden und erschöpft genossen wir im ortseigenen, traditionellen Pub ein vegetarisches Essen der Superlative.
Man wird in England überhaupt nicht schief angesehen, wenn man sich als Vegetarier outet.
Durch Linda McCartney ist "Vegetarian Food" bekannt geworden, und in jede Speisekarte eingebunden.

Ein neuer Morgen, Sonne und ein stahlblauer Himmel!

Heute geht es nach Porthcurno, wo man das weltberühmte "Minack Theatre" findet. Nur konnte ich die Straße, die mich dorthin führen sollte, einfach nicht finden.
Deshalb habe ich am Strandparkplatz geparkt,und bin zu Fuß zum weißen Sandstrand gegangen.
Ich musste mir immer wieder sagen, dass ich nicht im Süden war, sondern in Cornwall.
Tiefblaues Meer, warme Sonne und badende Leute und... ganz oben in schwindelnder Höhe zeigte sich mir das Theater!
Ein Schild mit einem Pfeil nach oben ließ die Richtung erkennen: Das war endlich der Weg zu Rowena Cades` Freilichttheater mit dem paradiesischen Garten.
Nicht nach unten sehen, immer nach oben!
Glaubt mir, es war einzigartig, aber nie im Leben würde ich nochmal da hochsteigen. Der Weg war nicht nur schmal, sondern wirklich steil!
Aber was ich danach sehen durfte, werde ich ganz sicher nie mehr vergessen (http://de.wikipedia.org/wiki/Minack_Theatre).
Ein Schauspiel ohne Akteure, wie sollte es nur sein, wenn man abends an einem Stück von Shakespeare teilhaben konnte?

Das Freilichttheather wurde einfach in die Felsen gehauen und die Hauptkulisse bildet das tiefblaue Meer, die von Gras bewachsenen Sitze sind wie in einem Amphitheater angeordnet.
Der exotische Garten mit seinen mediterranen Pflanzen und vielfarbigen Blumen bringt den nötigen Farbklecks in das  außergewöhnliche Theater. 
Das Museum erzählt von Rowena Cade und ihrem Lebenswerk, von der Idee, der Entstehung und den Erfolgen der Freilichtbühne.

Erfüllt von diesen Eindrücken, haben wir in der Bucht von Porthcurno im eiskalten Wasser gebadet.

Abends sind wir ins angesagte Gourmet Burger-Restaurant von St. Ives gegangen (http://www.blasburgerworks.co.uk/our-food.html ). Die außergewöhnlichen Burger konnte man sicher nur dort genießen.
St. Ives hat drei verschiedene Strände und eine italienische, rivieraähnliche Atmosphäre (http://www.stives-cornwall.co.uk/about-stives.html.)
Die Innenstadt ist sehr italienisch und lebt natürlich von seinem lebendigen Tourismus.


Am zweiten Abend durften wir wieder feststellen, wie ideenreich man vegetarisch kochen kann.
Der herrliche Blick auf den Hafen hat den Abend perfekt gemacht
(http://www.coastcornwall.co.uk/vegetarian-restaurant-cornwall).
Der zweite Teil dieser von viel Glück und wunderschönen Erlebnissen begleiteten Reise folgt bald!

Dann erzähle ich euch von Tintagel Castle, Exmoor, Lynton (englische Schweiz), von Shakespeares Geburtsort und Julius Caesar, Glastonbury und Canterbury, und auch vom krönenden Abschluss der Englandreise in der weltbekannten,belgischen Stadt Brügge.